Quellen der Kraft

Ruth Haselwander vom KGS Bremen Magazin hat ein Interview mit mir zum Thema "Quellen der Kraft" geführt.
Insgesamt dreht sich die neue Ausgabe des Magazins um die Liebe - und versammelt wie üblich viele tolle Artikel. Wenn Ihr also die Möglichkeit habt, Euch ein Heft zu besorgen: Es lohnt sich!
Und hier das komplette Interview:

Was gibt Dir Kraft?
Vor allem das Gefühl, verbunden zu sein, ein Teil dieser unglaublichen Welt zu sein. Zu atmen und die Bäume und das Meer zu schmecken, erreicht zu werden vom Wind aus dem Himalaya und dem Senegal, mich in einer Einheit mit allem, was lebt, zu wissen. Und neben diesen großen Zusammenhängen die vielen kleinen Segnungen: gute Freunde, gutes Essen, wunderbare Kinder, lustige Hunde, eine echte Partnerin an meiner Seite, auf der Veranda sitzen und in eine stille Landschaft schauen, Sex, Meditation, Sport, Musik, die mein Herz berührt … Ich bin für vieles in meinem Leben dankbar – und das erfüllt mich mit Kraft.

Magst Du einen Moment aus Deinem Leben beschreiben, in dem Du voller Lebenskraft warst?
Da fällt mir spontan eine Nacht in Andalusien ein. Der Sternenhimmel so klar, die Milchstraße deutlich zu erkennen – und mein Staunen so groß, dass ich selbst verschwunden bin, mich in gewisser Weise im Beobachten aufgelöst habe. Da waren dieses tiefe Staunen, die daraus folgende Dankbarkeit und ein Gefühl, vom Leben selbst angerührt zu werden. Das Ego tritt einen Schritt beiseite - und daher gibt es mehr Raum für Lebendigkeit.

Wie gelingt es Dir, Deine Kraft zu halten?
Da gibt es für mich zwei Aspekte: Natur und Kultur. Ein Tag im Wald belebt mich ebenso wie eine Meditation in der Krypta einer romanischen Kirche oder das Erleben wirklich gut gemachter Live-Musik. Der würzige Geruch des Waldes, der weiche Boden unter meinen Füßen, die Geräusche der Tiere und des Windes, das Eintauchen in einen steinernen Raum, in dem seit mehr als tausend Jahren des Göttlichen gedacht wird, das Fühlen von Rhythmus, von Bass und Schlagzeug – das sind wesentliche Dinge des Lebens für mich, für die ich mir immer wieder Zeit nehmen möchte.

Was inspiriert Dich?
Kinder, Hunde, die ganz normalen Begegnungen des Alltags, das Aufscheinen echter Menschlichkeit, die nette Verkäuferin beim Bäcker, gute Gespräche, die unterschiedlichen Teilnehmer an meinen Seminaren, auch mal ein Facebook-Post. Aber natürlich auch Bücher: japanische und chinesische Gedichte, amerikanisches nature writing, die mystischen Traditionen. Und ganz besonders das Zusammensein mit meiner Frau. Zu spüren, dass man wirklich geliebt wird, das Wesentliche miteinander zu teilen, ist eine große Inspiration und ein großes Geschenk.

Was fällt Dir zu LIEBE ein?
Liebe ist für mich das, was uns wirklich aufbricht. Liebe macht uns nackt, schutzlos und verletzlich – gleichzeitig ist sie eine Quelle großer Kraft. Wenn du wirklich liebst, dich wirklich auf einen Menschen einlässt, wird dein Herz immer weiter. So weit, dass mehr als dieser eine Mensch darin Platz hat. Dann wird dein Herz zu einer großen, schützenden Halle, in der Pappelfeigen, Buckelwale, Gummistiefel in Größe 24, rote Pandas, dreibeinige Hunde und der Fremde an der Bushaltestelle dich wirklich berühren – und sein können, was sie sind.